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Die Walkemühle
Landerziehungsheim von (1921-1933)
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21 Eine deutsche Geschichte nach dem Ende

Der Landrat aus Wolfhagen berichtet weiter:

"Ich selber war dann noch einmal während des Dritten Reichs in der Walkemühle und nahm da an einem Lehrgang für Rechtswahrer, in meiner Eigenschaft als Jurist, für Mitglieder des NS-Rechtswahrerbundes teil. In dem Fall war ich nun Schüler derselben Schule, die ich vorher gegen die SA und die Partei hatte verteidigen müssen. Da sehen Sie, wie es mir ergangen ist, einem alten preußischen Verwaltungsbeamten, es war nicht so einfach im Dritten Reich, was die Partei wollte, einigermaßen in Einklang zu bringen mit dem Recht, das war immer schwierig.

Die Schulungslehrgänge in der Walkemühle veranstaltete die Partei und zwar die Gauleitung in Kurhessen. Neben den Lehrgängen des NS-Rechtswahrerbundes gab es z.B. Schulungslehrgänge für Amtswalter der NSV, das ist die Abkürzung für NS-Volkswohlfahrt, was heute die Diakonie ist, von brauner Seite. Dann gab es noch Lehrgänge vom NSKK, das war der Kraftfahrerkorps, und Schulungslehrgänge für Ortsgruppenleiter und andere Funktionäre der Partei. Jedenfalls wurde vom Staat, zu dessen Gunsten zunächst beschlagnahmt worden war, die Walkemühle dann dem Gau Kurhessen der Partei zur Verfügung gestellt. Das Stichwort hieß damals: ,Die Partei befiehlt dem Staat', aber es waren zwei getrennte Organisationen. In der Kreisebene gab es z.B. den Landrat als alten Verwaltungsbeamten und daneben den Kreisleiter als Vertreter der Partei, soweit die Landräte nicht selber alte Kämpfer waren; das war dann etwas anderes. Unsereiner, der von Berufs wegen Verwaltungsbeamter war, der hatte immer seine Schwierigkeiten mit dem Kreisleiter.

Die Schulung in der Walkemühle nahm man als alter Verwaltungsbeamter so hin. Ich kann mich da gar nicht mehr an Einzelheiten erinnern. Es war ja so: die ganze Verwaltung wurde doch übernommen, und von den alten preußischen Verwaltungsbeamten, die nun noch aus der Weimarer Zeit oder zum Teil noch aus dem Königreich Preußen stammten, waren ja die allerwenigsten  überzeugte Nationalsozialisten. Wir mussten wohl oder übel in die Partei eintreten, das wurde von uns verlangt, aber wir hielten uns sehr zurück. Wir ließen diese Dinge, so möchte ich sagen, an unseren Ohren vorübergehen. Man hat das erduldet, und unter uns alten Landräten, die wir noch aus der alten preußischen Verwaltung stammten, haben wir das dann heftig untereinander ausgetauscht, kritisiert und darüber gelacht. Das war eigentlich gefährlich, das konnte man nur machen, wenn absolut zuverlässige Leute zusammenwaren."  (Dr. Fritz Elze)

Erfahrungen bei der Erkundung der NS-Zeit

Nur sehr vereinzelt konnte ich Menschen finden, die überhaupt noch irgend etwas wussten: Aber auch die wollten meist doch nichts mehr davon wissen. "Natürlich erinnert sich keiner gern an diese Zeit, denn es war im nachhinein ja für niemand eine gute Zeit. Man hat mit dieser Zeit abgeschlossen und sich eine neue Existenz aufgebaut. Das müssen Sie verstehen. Die von meiner Generation als HJ-Führer dort auf der Schule waren, das waren ja keine dummen Leute, sondern die waren hochintelligent. Nach dem Krieg haben die dann alle Abitur gemacht und studiert und befinden sich heute in gesicherten Positionen." (Otto Wiegand)

Das allermeiste schriftliche Material über die Walkemühle zur NS-Zeit war von den Nazis zu Kriegsende oder kurz nach dem Kriege vernichtet worden. Die Akten bei der Regierung in Kassel, wie das Material in der Walkemühle selbst, wurden von den Nazis dadurch beseitigt, dass sie beide Gebäude ansteckten. Aus der Lokalzeitung wurden im Archiv des Melsunger Tageblattes zur Zeit der Entnazifizierungsprozesse viele der Artikel, die von den "Heldentaten" ehrenwerter Melsunger Bürger berichteten, herausgeschnitten; auf diese Weise wurden sie ihre braune Weste los. Aus genau dem Grund, weil das nun mal "passiert ist", wurde mir in diesem Jahr vom Verlag das Archiv nicht zugänglich gemacht. Auf meinen Einwand hin, dass ich keine Schere mitnehmen werde, wurde als nächster Grund aufgeführt, dass sich dort keine Sitzgelegenheit befinde; als ich daraufhin die Möglichkeit nannte, im Archiv stehen zu bleiben, wollte man auch das nicht, weil man da prinzipiell niemanden mehr hineinließe, da es ja vorgekommen sei, dass Artikel ausgeschnitten wurden, "Dinge, die praktisch unersetzbar sind". Ich durfte dann schriftlich einige Daten nennen, unter denen "der Chef persönlich" (Otto Wiegand)  im Archiv nachschauen wolle.

Entsprechend seiner Antwort existierten dann plötzlich eine Reihe von Bänden überhaupt nicht mehr. Diese gutsituierten Bürger der Kleinstadt Melsungen - Chef und Prokurist des nicht ganz kleinen Heimatverlages - wollten offenbar nicht, dass noch einmal etwas Ähnliches aufgerührt werden könnte, wie es vor einigen Jahren durch Veröffentlichungen einer Melsunger Jugendgruppe geschehen war.

Sie machten dagegen mir den Vorschlag, doch mal mein Material vorbeizubringen, man könne ja vielleicht ein kleines Heft daraus machen. Ich ärgerte mich über so jemanden in gesicherter Position, der womöglich als HJ-Führer dann, wenn er für Schulungen in der Walkemühle einen Einberufungsbefehl bekam, seine Verbindungen benutzte und sich für die gleiche Zeit einen Einberufungsbefehl von einer Fliegerschule besorgte; er flog einfach viel lieber, als dass er Schulungen mitmachte - so teilte er es mir mit. Wer könnte das nicht verstehen! Ich ärgerte mich und konfrontierte ihn in seiner problemlosen Geschichtsauffassung ("für alle keine gute Zeit") mit einer Geschichte, der Verlegung der drei Toten vom Friedhof der Walkemühle, die ich von Willi Schaper  erfahren hatte:

Den Nazis war es nach '33 unerträglich, dass so ganz nah bei nun ihrer Walkemühle sich immer noch zwei Juden befanden, wenn auch schon tot und begraben, sowie im dritten Grab "ein Kommunist". Das ließ ihnen keine Ruhe. Sie änderten diese Situation bald und sprachen dabei von "Umbettung", aber dann nahmen sie es doch nicht so genau. Die Urne und den Grabstein von Erich Graupe, "dem Kommunisten", fand Willi Schaper,  ehemaliger Helfer der Walkemühle, dann "im Dreck des Schutthaufens von Adelshausen."

Den Skeletten der beiden  Nelsons, so gab es ein hartnäckiges Gerücht, brach ein Beteiligter bei der "Umbettung" die Goldzähne heraus, wofür er eine Kraft-durch-Freude-Reise bekam. Wo die Skelette heute liegen, weiß niemand genau, offiziell kamen sie auf den Judenfriedhof von Melsungen. Sicher ist nur, dass man dorthin die Grabsteine von Leonard und Heinrich Nelson geschafft hatte.

Als Willi Schaper dann den Antrag auf Umbettung der Toten zurück auf den Friedhof der Walkemühle, stellte, gab der Melsunger Bürgermeister a.D. Dr. Schmidt die folgende Antwort: Der Antragsteller solle sich doch bitte an die zuständige Stelle wenden; das sei die Stelle, die damals die erste Umbettung veranlasst hätte. Im Klartext hieß diese Antwort:  Da müssen Sie sich schon an das Landratsamt Melsungen und an die NSDAP wenden !

"So was konnte 1948 schon wieder gesagt werden, da waren die schon wieder obendrauf, die Brüder." (Willi Schaper)  Und ein Melsunger Bürger, dessen Verwandter bei der Umbettung beteiligt gewesen war, bedrängte den Helfer, seinen Antrag zurückzuziehen, sein Verwandter würde sich sonst aufhängen. Sie hätten nämlich wahrscheinlich alles zusammengeschlagen und es sei nicht sicher, ob auf dem Judenfriedhof überhaupt etwas liege.  (nach Willi Schaper)

Diese Beschreibung veranlasste den Herrn Prokuristen zu keiner anderen Reaktion, als zu dem Vorschlag, mir nur ja den besten Anwalt zu nehmen und mir all das, was ich "gehört" habe, vor diesem Anwalt noch einmal  wiederholen zu lassen - usw. usw.

Aber auch ein angesehener Bürger Melsungens von der anderen Seite, der Seite der Nazi-Verfolgten, wollte nichts mehr mit dieser Zeit zu tun haben: "Wir wollen uns raushalten, wir haben zu viel mitgemacht. Schreiben sie doch, dass die Walkemühle zur Inhaftierung von Bürgern aus Melsungen benutzt wurde, die dort teilweise misshandelt wurden - man hörte deren Schreie - alles schuldlose Bürger, von denen sich keiner was hatte zuschuldenkommen lassen, die nur politisch nicht mit Hitler übereinstimmten. Und der Sturmführer der SA, der mich verhaftet hatte und mich in der Walkemühle hatte einsperren lassen, der war als Schuljunge mit uns groß geworden. Und auch alle anderen, die Gemeinheiten damals gemacht haben, zum Beispiel die, die einer kranken jüdischen Familie des Nachts über zwanzig Backsteine durchs Fenster in die Wohnung geworfen haben, die sind heute wieder alle in hohen Stellungen, und man will da jetzt nichts mehr aufrühren. Mich ließen sie dann nach ein paar Tagen wieder frei, denn ich war sehr angesehen hier, ich war Vorsitzender des Sportvereins und Besitzer eines Fuhrunternehmens." (Heerdt)

So schrieb ich das Telefongespräch aus meiner Erinnerung auf. Er wollte zuerst nichts sagen, nicht mehr daran rühren, aber dann hatte er doch angefangen, hatte wieder innegehalten, dann doch weitergeredet, bis ihm schließlich seine Frau den Hörer aus der Hand nahm: "Meinen Mann regt das zu sehr auf, wir wollen das nicht alles wieder aufwühlen."

Rüstzeug zum Führer

Seine Frau war Jüdin, aber sie waren doch angesehene Bürger und gingen nur einfach ihren Geschäften nach. Für seine Haft in der Walkemühle entschuldigte sich dann ja auch noch der Sturmführer der SA bei ihm. Doch in der ,Kristallnacht', bei der großen Judenhatz, musste er dann mit der Pistole vor dem Haus stehen, damit sie seine Frau nicht auch abholten.(Heerdt)

Der knappe Satz, der ganz zu Anfang meiner Erkundung stand: "Dann war ein ,kleines KZ' der Nazis da drin" wird jetzt vervollständigt:

Ein Melsunger SPD-Mitglied war erschrocken, als da die SA in der Mühle hereinkam, "doch was da dann genau war, darüber kann ich sehr wenig sagen, ich weiß nur, dass dort Leute, die der SA nicht passten, in dunklen Kellern geschlagen wurden. Das ist alles sehr verschwommen und auch sehr schwierig, darum will ich Ihnen keine weiteren Namen nennen." (Alfred Stöckl)

Und ein ehemaliger Helfer der Walkemühle erzählte mir, dass der alte Gärtner, der Mathias Schwer, als die SA kam, die Walkemühle nicht verlassen hatte und sich bald darauf dort erhängte. Dann hatte er noch gehört, dass auf der Walkemühle viele Inhaftierte geprügelt und misshandelt worden waren. (Willi Warnke )

Und der Sohn des Herrn Pfeiffer wusste zu berichten: "Die haben dort alle Linken, Sozialdemokraten und Kommunisten aus Melsungen und Umgebung festgesetzt, die wollten sie da umdrehen, sie sollten abschwören. Jeden Morgen gab es Prügel. Ich weiß noch, mein Vater hatte hinterher noch lange einen offenen Rücken."

Und in der "Kasseler Post, einst bürgerlich- national, nach '33 gleichgeschaltet, standen dann am 1.7.33 die folgenden Sätze dazu: "Zur Zeit sind in der Walkemühle noch einige Melsunger Schutzhäftlinge untergebracht. Nach ihrer Aussage haben sie über Unterbringung und Verpflegung nicht zu klagen." (99)

Im selben Artikel wurde die neue Bestimmung der Walkemühle als Schule der NSDAP gefeiert. Einer der neuen Lehrer, der dort genannt wurde, war der Melsunger Industrielle und Kasseler Handelskammerpräsident, Dr. Rudolf Braun (Uzara-Braun), der maßgeblich an der schnellen Enteignung der Walkemühle beteiligt gewesen war:

g. Melsungen, 30. Juni. Bereits gestern teilten wir mit, dass die Walkemühle in der Nähe Melsungens am Sonntag ihrer neuen Bestimmung als Amtswalter- und SA-Führerschule übergeben wird. Wir gaben auch bereits einige Daten über das Schicksal der Walkemühle. Wie die Besichtigung ergab, ist die Walkemühle für die Schulung der Amtswalter und SA-Führer sehr geeignet. Alle notwendigen Einrichtungen sind vorhanden. Die hier untergebrachten Kinder der Philosophisch-Politischen Akademie wurden in allen Fächern, sogar im Handwerk unterrichtet.

Da finden sich neben den üblichen auf das beste eingerichteten und mit Warmwasser und elektrischer Kraft versehenen Wirtschaftsräumen eine Schlosser- und Schreinerwerkstatt, ausgerüstet mit den besten Geräten und Maschinen, eine Turnhalle und ein chemisches Laboratorium. Im Unterrichtszimmer befanden sich neben jedem Schülertisch Wasser-, Licht- und Gasleitung. Außerdem hatte man eine Lichtanlage mit mehreren Turbinen angelegt, die von der vorbeifließenden Pfieffe gespeist wurde. Fünfzehn Elektromotoren und ein Dieselmotor sorgten für die nötige Kraft. Ein vier Morgen großer Garten schloss sich den Gebäuden an. In dem eigentlich, erst 1931 von der Akademie errichteten Wohngebäude, befindet sich neben vielen Einzelzimmern ein großer Musiksaal und eine Bibliothek, die mit 5000 Bänden ausgestattet ist. Viel zersetzendes Material, aber auch wertvolle Bände sind da zu finden.

Zur Zeit sind in der Walkemühle noch einige Melsunger Schutzhäftlinge untergebracht. Nach ihrer Aussage haben sie über die Unterbringung  und Verpflegung nicht zu  klagen. Welcher Geist in dieser kommunistischen Schule herrschte, beweist die Aussage eines neunjährigen Jungen, der Standartenführer Wagner auf eine religiöse Frage antwortete, dass Gottesglaube ein Märchen und Irrwahn der Menschheit sei.

Für die Amtswalter beginnt der erste Kursus am 2. Juli.

Alle bisherigen Amtswalter sind vorläufig noch kommissarisch eingesetzt. Ihre endgültige Bestätigung erfolgt erst, wenn sie die Führerschule durchgemacht haben. Durchschnittlich werden vier bis sechs Stunden Unterricht täglich erteilt.

Als Lehrer sind gewonnen worden: Rektor Blume - Melsungen Geschichte, Baubetriebszellenleiter Stock - Kassel Arbeitsfragen, Dr. Müller - Hofgeismar, Bauernfragen; Brühmann - Kassel, Kassenfragen; Truppenführer Weisner - Kassel, ,die deutsche Schule'; Kampfbundführer Bernhardt - Großalmerode, Wirtschaftspolitik; Dr. R. Braun - Melsungen, Handelskammerpräsident, der kommende Ständestaat; v. Baumbach, Selbstverwaltung; v. Dernberg - Hausen, hessische und deutsche Geschichte; Standartenführer Wagner, Wesen und Aufgaben der SA; Chefredakteur Beinhauer - Kassel, Pressefragen; Gauobermann des NS-Ärztebundes Dr. Harrfeldt, Vererbungslehre und Bevölkerungspolitik; Stadtrat Moog - Kassel, die Selbstverwaltung der Gemeinden; Propagandaleiter Gerland, Propaganda; Ortsgruppenleiter Dr. Reinhardt - Melsungen, 1.Kommunalpolitik (Etat. Gemeindeverwaltung usw.), 2. Ethik und Politik; Gauschulungsleiter Neuburg, Arbeitsdienst Kreisleiter Wisch - Melsungen - Geschichte der NSDAP.; Kreisbetriebszellenleiter Schneider - Melsungen, Gewerkschaftsfragen; Land-tagsabgeordneter Better, landwirtschaftlicher Fachberater, Ostpolitik und deutsches Bodenrecht; Gauredner Löwie - Landau, Führungsarbeit am Sprechabend.

Sämtliche Amtswalter des Gaues müssen an den Schulungskursen teilnehmen, ausgenommen die Kreisleiter und die Kreisschulungsleiter, die die neu gegründete Reichsführerschule in Bernau besuchen." (101)


Ende Mai 1934 wurde dann anlässlich der offiziellen Enteignung der Walkemühle viel in den Zeitungen geschrieben. Die Geschichte der Walkemühle, wurde jetzt aus neuer Sicht folgendermaßen dargestellt:

 

staatsfeindliche Schule

Wer kennt sie nicht, die Walkemühle bei Melsungen? Eingebettet in einen grünen Wiesenteppich im Tal der Pfieffe, flattern heute an ihren Masten die Fahnen des neuen Deutschlands, werden in ihren Mauern Amtswalter des Gaues Kurhessen der NSDAP weltanschaulich geschult, um in ihren Gemeinden als echte Träger nationalsozialistischen Ideengutes zu wirken, damit ein Deutschland ersteht, wie es der Führer will.

Nur wenige deutsche Volksgenossen aber wissen, daß in diesen Räumen vor der Machtübernahme des Nationalsozialismus eine Schule untergebracht war, die als eine kommunistische Brutzentrale galt, deren Leiter mit einflußreichen Politikern des Sowjetrußland korrespondierten und zu deren Geldgebern ausgerechnet der Seifenfabrikant und Jude Wolf in Schlüchtern gehörte, der auch den Druck der Zeitschrift "ISK" und "Funke" finanzierte. (Kommentar überflüssig.)

Diese Schule wird nie wieder aufleben. Nie wieder wird in ihren Räumen das Gift staatsfeindlicher Ideen in die Seelen der deutschen Jugend gesträuselt werden, denn Deutschland ist erwacht und handelt.

Regierungspräsident von Mombart hat in diesen Tagen die Einziehung der Walkemühle und des Vermögens der Gesellschaft der Freunde E. B. (GPA) verfügt. Diesem Schritt ging jedoch eine eingehende und sorgsame Prüfung voraus, weil sich das bolschewistische Treiben in der Walkemühle und der GPA geschickt unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Tätigkeit verbarg.

Interessant ist, zu erfahren, daß die Urheber und Gründer dieses Treibens der 1927 verstorbene Göttinger Professor und Volksverderber Leonhard Nelson war.

In gewissen Kreisen war die Ansicht vorhanden, daß Leonhard Nelson ein "großer" Gelehrter sei. Wir Nationalsozialisten bestreiten es und bekämpften ihn stets. Nun taucht die Frage auf, wie es möglich ist, daß die Schöpfungen eines solchen Mannes wegen Förderung staatsfeindlicher Bestrebungen eingezogen werden. Einen Aufschluß über den Charakter Leonhard Nelsons gibt sein Brief vom 19. Mai 1927, den er währen eines Aufenthaltes in Moskau an Trotzki geschrieben hat. Die Schlußsätze dieses Schreibens lauten:

"Als mich in diesen Tagen jemand fragte, was ich denn eigentlich in Rußland suchte, da ich für keinerlei Sehenswürdigkeiten Interesse zeigte, habe ich geantwortet: Ich suche einen Revolutionär! Habt ihr noch einen solchen in ganz Rußland, so zeigt ihn mir! Zu ihm will ich gehen. Genosse Trotzki, seit ich ihre Wirksamkeit und ihre Schriften kenne, habe ich geglaubt, ihr seid ein solcher Mensch, und ich glaube es noch. Ist dem so, dann lassen sie uns die Gelegenheit meiner Anwesenheit benutzen und miteinander reden, ohne Sorge um unsere Gesundheit oder andere Dinge!"

Dieser Brief beweist, dass Leonhard Nelson ein Fanatiker war.

Ausschlaggebend ist also nicht seine wissenschaftliche Bedeutung, sondern seine politische Betätigung, die ja aus den Gründungen, seinen Zielen und seinen Betätigungen hervorgeht.

Nelson gründete zunächst den Internationalen Sozialistischen Kampfbund, der die Zeitschriften "ISK" und "Funke" herausgab. Erstere war bereits der marxistischen Regierung schon sehr verdächtig, denn seine Politik lag in der Richtung der früheren Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei. Die Zeitschrift wurde in Oelnhausen bei Oskar Weddig gedruckt und von Schlüchtern aus versand. Ein bei dem Seifenfabrikanten Max Wolf angestellter Chemiker, Dr. Hinkel, bewerkstelligte den Versand. Wolf dagegen schien die Finanzierung zu betreiben. Er war es auch, der sich persönlich sehr für die Verbreitung der Zeitschrift einsetzte.

Leonhard gründete dann die philosophisch-politische Akademie e. B., welche die Walkemühle nebst umliegende Gebäude aufkaufte, hier eine Schule einrichtete und unterhielt. Ferner gründete er die GPA, welche insbesondere die Unterhaltung der Schule zu finanzieren hatte, außerdem den Verlag "Öffentliches Leben", in dem er seine Schriften und die seiner Schüler herausbrachte. Diese GPA konnte dem Seifenfabrikanten Max Wolf etwa 300.000 R.M. leihen mit denen er den Neubau seiner Fabrik finanzierte. Einwandfrei wurde festgestellt, daß die politischen Ziele Leonhards sich etwa in der Mitte zwischen SPD und KPD bewegten, mithin also als unabhängig bezeichnet wurden.

Sie waren jedoch kraß und rein bolschewistischer Art.

Durch diese ausgezeichnet organisierte Bewegung versuchte er die bolschewistischen Ziele der Walkemühle in der GPA zu verwirklichen. Er bildete zunächst hier Lehrer aus, von denen später die Artikel im "ISK" und "Funke" stammten. Auch setzten sich diese Lehrer für die Verbreitung der Zeitschriften ein, warben nach gut ausgedachten Plänen Anhänger ihrer Idee, sprachen in Versammlungen und reisten werbend im Lande umher. Es dürfte bekannt sein, daß durch ihre Tätigkeit der Kreis Melsungen und ihre Umgebung kommunistisch verseucht wurde.

Als Beweis dafür gilt, daß in diesem Gebäude die Kommunistische Partei einen erheblich größeren Prozentsatz bei Wahlen auf sich vereinigte, als das in anderen Gebieten, besonders in Kurhessen, der Fall war.

Bezeichnend ist noch, daß der größte Teil der Lehrer und Mitglieder des "ISK" Juden waren, die anscheinen ins Ausland geflüchtet sind. Damit ist der Beweis erbracht, daß
die Bestrebungen der Walkemühle und der GPA staatsfeindlich waren und die nationalsozialistische preußische Regierung nach dem herrschenden Gesetz ein Recht hat, das Vermögen einzuziehen.

Schn


Diese Propaganda war nicht wirkungslos. Ein Einwohner Adelshausens, der es aus eigener Anschauung besser wusste, erinnerte sich:

"Von der Walkemühle wurden ja während des Dritten Reiches die unheimlichsten Dinge erzählt. Ich machte neben meiner Arbeit noch ein bisschen Musik, Klarinette, und als ich dann drüben einmal in Kirchhof bei der Kirmes war, in Quartier, war da so ein alter Bauer, ja, wir kamen ins Gespräch: ,Oh, se sind von Odelshüsen,' spricht er. ,Jo das kann wohl sinn.'  ,Da kennen se ja die Walkemühle öih, wo se de Menschen geschlachtet hahm.'

Man war zu der Zeit ja sehr vorsichtig, das war zu gefährlich. Die glaubten das alles, was man ihnen vorsagte.

Die Sache war die, man hatte in der Walkemühle Menschenschädel gefunden. Für ihren Unterricht hatten sie ja welche aus jedem Alter, vom dreijährigen Kind, vom zehnjährigen Kind und von Erwachsenen, die hatten wir ja auch alle gesehen. Die SA fand das da, und dann ging natürlich das Gerücht um, dass sie da Menschen geschlachtet hätten. 

Keine Fliege machten sie tot, die aßen doch kein Fleisch, das waren doch alles Vegetarier. Die hatten wohl eine Ziege da unten, aber sie schlachteten noch nicht einmal das Ziegenlämmchen. Sonst hatten die nur noch ein paar Katzen für die Mäuse, weil die selbst ja auch keine Maus fingen." (Johann Eckhardt)

Über die Gauamtswalterschule etwas herauszubekommen, war schwierig. Leute, die nicht direkt dabei waren, mieden die Nazis auf der Walkemühle. "Die haben wir nicht geachtet, denen sind wir aus dem Weg gegangen." (Alfred Stöckl)  Oder: "Nach '33 ist dann das Thema heikel geworden, man hat nicht mehr darüber gesprochen." (Waltari Bergmann) Oder: "Kurz nach dem Krieg hat niemand davon sprechen mögen, weil alles zu nah war, und es sollte auch kein Zweiter verdächtigt werden." (Franz Baier)  Oder: ein Bürger aus dem Dorf Adelshausen: "'33, von da an weiß ich nichts mehr, ich war dann nicht mehr da unten an der Walkemühle, ich ging denen aus dem Weg. Wenn die manchmal ins Dorf kamen, um in die Gaststätte zu gehen, und ich die sah, bog ich gleich in die nächste Querstraße ein, damit ich bloß nicht mit denen zusammentraf. Nur eins weiß ich noch: die SA auf der Walkemühle nahm uns im Siedlungsverein mal ein Stück Land weg. Da protestierte unser Vereinsvorsitzender: ,Wenn auch heute Diktatur ist, den kleinen Leuten kann man das Futter für ihre Kuh nicht wegnehmen.' Die SA, die aus unserem Land einen Sportplatz gemacht hatte, musste uns dann vom Staatsgut ein neues Stück Land als Ersatz geben." (Johann Eckhardt)

Über die Gauamtswalterschule etwas von Leuten, die selbst auf der Schule waren, herauszubekommen, war schwierig, denn sie waren kaum aufzufinden, weil sie sich auch untereinander nicht mehr kannten. "Das ist auch schon zu lange her, man hat nachher nie mehr mit jemandem Kontakt gehabt, man hat doch vieles wieder vergessen." (Jakob Wiegand)

Zwei Geschichten zur Walkemühle nach '33 konnte ich jedoch auftreiben:

Erste Geschichte

Eine Frau erzählt von ihrem Mann:

"Mein Mann war Vorsitzender des republikanischen Studentenbundes in Marburg und gehörte dann, als er nach Berlin ging, dort derselben Bewegung an. 1931 wurde bei ihm schon die erste Haussuchung gemacht. Weshalb, ist nie herausgekommen. Vielleicht hat mein Mann auch, um mich zu schonen, nicht immer alles erzählt, denn ich erwartete zu der Zeit mein erstes Kind. Mein Mann war Student in Berlin, und das war wohl die erste Studentenehe in ganz Deutschland, es war also ganz unmöglich. Mein Mann machte in Berlin sein Examen bei einem jüdischen Professor und bekam daraufhin hier in Kassel keine Referendarstelle. Ich ließ dann alle Puppen tanzen. Ich war hier in Kassel angesehene Sängerin und unterrichtete viele Schüler von Prominenten in Musik. So gab man meinem Mann dann doch eine Referendarstelle, aber ohne Bezahlung und ohne Seminar. Ich musste also in der Zeit für ihn mitverdienen, und er musste sich alles selbst erarbeiten. Er hatte einen Tutor, bei dem machten wir Besuch - damals musste  man noch Besuch machen - und der erwiderte den Besuch nicht. Er wurde dann nach seiner Referendarzeit auch zum Assessorenexamen zugelassen, doch dann war es aus, dann bekam er keine Stelle. Das war 1934 als unser zweites Kind geboren wurde. Bis '36 saß er dann brotlos. Ich arbeitete und kochte. Dann ging ich wieder zu den Schulräten, die ich persönlich kannte. Die hatten inzwischen schon alle das Parteiabzeichen. Und zu der Zeit waren dann die Volksschullehrerstellen so wahnsinnig  rar   geworden,   da   gaben   sie meinem Mann eine Volksschullehrerstelle in Trendelburg - einer Hochburg der Nazis. Erst musste er dazu aber in die Walkemühle, in die Gauführerschule Kurhessen.

 

Walkemühle 1945

Walkemühle 1945

Blick auf die Walkemühle vor ihrer Zerstörung 1945

Schulungslager für politische Unzuverlässige hieß das. Sie wurden da parteipolitisch geschult. Da wurden  ihnen  Sachen  zugemutet !  Sie mussten  Judenwohnungen  ausräumen !   Sie wurden Handlanger der Nazis bei Diebstählen. Er kam entsetzt, vernichtet und zertreten wieder. Der Kurs hatte neun Wochen gedauert. Er war gezwungen worden, in die Partei zu gehen, er hatte das Parteiabzeichen annehmen müssen, das war ihm in der Walkemühle aufgedrückt worden. Das Schlimmste war aber gewesen, dass er, wenn er mal frei gehabt hatte und seine Freunde in Melsungen hatte besuchen wollen, dann war er von denen überhaupt nicht empfangen worden - Angst! Angst!" (Frau Reinbold, Kassel)

Zweite Geschichte

Ein ehemaliger HJ-Führer sagte mir: "Was ich Ihnen sage, das kann heute jeder hören. In 1943 war die Walkemühle eine Gebietsführerschule der HJ.

Da war ich als HJ- Führer mal dort.

In der Schule herrschte eine Pfundskameradschaft, und alle waren mordsmäßig begeistert. Die Erziehung lief darauf hinaus, dass alle zu ordentlichen Menschen erzogen wurden. Dort wurde alles ganz genau so gemacht, wie es im Buch "HJ im Dienst" (102) aufgeführt ist. Daneben gab es dann noch die politische Schulung, die wurde immer vom Schulführer selbst ausgeführt. Das andere Schieß- und Geländeübungen, führten andere, wie z.B. verwundete Wehrmachtsoffiziere, durch.

Walkemühle vor ihrer Zerstörung 1945

Ein wesentlicher Teil der politischen Schulung war der Rassenpolitik gewidmet; und wenn man sich das auch heute überlegt, da sind diese Völker, besonders die in Afrika, ja tatsächlich nicht so weit, und darum sollte man sie dann auch so einstufen. Vielen Negern geht es ja heute viel schlechter als damals unter der Kolonialherrschaft.

Jeden Morgen nach dem Wecken wurde die Hakenkreuzfahne gehisst, eine Flaggenparade sozusagen, und dann begann der Dienst, in Uniform natürlich. Es wurde zusammen gefrühstückt. Der Führer vom Dienst rief: ,Achtung!', dann  standen alle auf, und einer sagte dann: ,Melde Ihnen, Lehrgang sowieso zum Frühstück angetreten.'

Diskutiert wurde wenig, das muss man schon sagen, es wurde erklärt aus der Sicht des Vorgesetzten. Es wurde auch - ohne dass man sagen könnte, man hätte Angst gehabt, etwas anderes zu sagen - nie etwas anderes gesagt, als das, was der Schulführer gesagt hatte. Seine Rede war derart dogmatisch und versetzte uns Jugendliche in eine derartige Begeisterung, dass überhaupt niemand darauf kam, etwas anderes zu sagen.

Wenn der Unterricht vorbei war, wurde eigentlich fast nie mehr davon gesprochen. Da wurde sich mehr über andere Sachen unterhalten, z.B. über die militärische Ausbildung, über die Schießleistungen und wie man die verbessern konnte; oder es wurde über Sport geredet und über die Leistungen dort - jeden Tag wurde ja zwei Stunden Sport getrieben.

Ein Kurs dauerte neun Wochen. Es gab am Tag 45 Pfg. Taschengeld bei voller Unterkunft und Verpflegung. Das war gar nicht so wenig Geld damals, 1943. Eine Kinokarte in Melsungen kostete etwa 25 Pfg. - man ist ab und zu in Melsungen ins Kino gegangen. Man hatte ja etwas Zeit, um fünf Uhr war ja Dienstschluss.

Manchmal ging man auch ins Dorf Adelshausen, in die Gaststätte. Da hat man eine Flasche Traubensaft getrunken. Alkohol war verpönt, genauso wie das Rauchen.

Das Essen war damals in Verpflegungsstufen aufgeteilt. Es gab vier verschiedene Stufen: die Truppen an der Front bekamen Stufe 1, wir HJ-Führer in der Walkemühle bekamen Stufe 2, das hieß, die Verpflegung war gut und ausreichend, viel Pellkartoffeln und Fleisch.

Zehn Uhr abends mussten sämtliche Lichter aus sein. Da mussten alle in ihren Betten liegen. Bis dahin musste man auch sein Referat für den nächsten Tag vorbereitet haben, wenn man dran war. Bei uns gab es nur Fünf-Minuten-Referate. Es wurde großer Wert darauf gelegt, nicht in großem Umfang daherzureden, sondern alles Wesentliche in wenigen kurzen Sätzen zusammenzufassen.

Ich musste mal ein Referat halten über den Marsch zur Feldherrnhalle.

Wir Deutsche sind ja ein Volk, das immer von einem Extrem ins andere fällt. So unmöglich der Zwang damals war, heute ist zuviel Demokratie, wenn man so denkt, was sich in den Städten abspielt. Es ist kein Wunder, wenn heute viele nach einem kleineren Hitler rufen." 
(Jakob Wiegand, Langenstein)

Walkemühle von Nazis abgebrannt

Walkemühle von Nazis abgebrannt

"Kurz vor dem Zusammenbruch brannten dann die Nazis die Walkemühle ab." (Willi Warnke)


1976, als dieser Text zur Walkemühle enstand, war sie als Fabrikgebäude wiederaufgebaut. Bilder dazu >>>

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