Ist die Walkemühle überhaupt noch von so großem Interesse, und lohnt sich eine so ausführliche Darstellung? Der Angriff auf das Wilhelminische Erziehungssystem, Menschen, die alle ihre Kräfte auf den Kampf um eine gerechte Gesellschaft konzentrieren, was bleibt davon übrig, wenn ich von diesen ,kleinen Problemen des Alltags' lese? Denn ich habe noch nie erlebt, dass ,große', ,besondere' Menschen, ,Menschen mit Geschichte' in ihrem Alltag dargestellt worden sind, der nicht nur Garnierung, Apercu war. Damit unterschieden sich diese Menschen von den vielen anderen, die überhaupt nicht dargestellt wurden, die nur Alltag besitzen, über den dann nur noch sie selbst reden, nicht aber die Öffentlichkeit. Schüler der Walkemühle, von denen später, nach 1933, die meisten aktiv im Widerstand gegen den Faschismus gearbeitet haben, - kann man sich das überhaupt noch vorstellen, wenn man liest, dass sie schon wegen sechs Haarbürsten Schwierigkeiten bekommen konnten? Aber man kann den Gedankengang auch umkehren: Menschen, die wegen sechs Haarbürsten Schwierigkeiten bekommen können, sind immer noch in der Lage, viel im politischen Kampf zu leisten, beispielsweise im Kampf gegen den Faschismus. Mit einem Unterschied: es sind jetzt keine sterilen Helden mehr, keine Übermenschen, die in teuren Kunstdruckbänden zeitlos geworden, vom neuen Staat geehrt werden. Bei solcherart menschlich nachvollziehbarer Zivilcourage ist deutsche Geschichte nicht mehr nur das, was vorbei ist. Vielleicht ist es nicht mehr so schwer, an die Geschichte anzuknüpfen, wenn das Menschliche in ihr nicht beseitigt wird, rasiert, geschniegelt und gebügelt, die Menschen als Helden auf Sockel gehievt, unerreichbar, was fast schon dem gleichkommt, sie als tote Helden zu feiern. Und selbst wenn der Unterschied zwischen uns und diesen Helden noch unendlich groß erscheinen sollte, so entrückt sind sie uns dann nicht mehr. >>> Download
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