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Die Walkemühle
Landerziehungsheim von (1921-1933)
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2 Einführung

Das Landerziehungsheim Walkemühle bei Melsungen   (1921-1933)

Unter den frühen Landerziehungsheimen in Deutschland war die Walkemühle einzigartig.

Zwar wurden unter der Leitung von Minna Specht und dem maßgeblichen Einfluss von Leonard Nelson auf der Walkemühle einige Grundzüge der Landschulheime von Hermann Lietz übernommen:

  •        Im Internat in ländlicher Umgebung spielte die Schulgemeinschaft eine herausragende Rolle.
  •        Arbeit in Haus und Garten war als Gemeinschaftsarbeit organisiert.
  •        Theoretische Arbeit wurde mit praktischer verbunden.
  •         Angestrebt war - in heutigen Begriffen -"exemplarisches Lernen im Projektunterricht".
  •        Bewertung der Schülerleistungen erfolgte nicht über Zensuren, sondern anhand von
    Schülerberichten an "Prüfungstagen".
  •        Literatur, Musik und Theater bereicherten an "Kapellenabenden" das bewusst einfach gestaltete Leben.

Doch war das schulische Konzept der Walkemühle zugleich bemerkenswert neu und eigenständig:

  •        Die mit der Philosophie von Kant und Fries begründete Ethik Leonard Nelsons machte den Hintergrund für
    die pädagogische Arbeit aus.
  •        Die "sokratische Methode" im Unterrichtsgespräch, der "Weg des Selbstdenkens", die "Lebendigkeit,
    Klarheit und Schönheit der Wechselrede" bildeten wesentliche Schritte auf dem Weg zum
    "Ziel der Erziehung", der "vernünftigen Selbstbestimmung." (Nelson 1922)
  •        Kostenfreier Schulbesuch wurde jedem geeigneten Kind, Jugendlichen und Erwachsenen ermöglicht
  •        Frauen und Männer galten als gleichberechtigt,
  •        Akademiker und Arbeiter ebenfalls.
  •        Eine antimilitaristische Einstellung prägte die Walkemühle, Nationalismus war ihr fremd: Im Melderegister
    sind Menschen aus zwölf Ländern und drei Kontinenten verzeichnet.
  •        Vegetarismus bestimmte die Ernährung; laut Nelson sollten Tiere nicht zum Werkzeug menschlicher
    Lust gemacht werden.
  •        Engagement in der Politik ( bei Jungsozialisten, SPD und USPD, bei den Freidenkern und in Gewerkschaften )
    und Abstinenz von Alkohol und Nikotin prägten ebenfalls das Leben auf der Walkemühle.

Leonard Nelson starb - nur 45jährig - am 29.11.1927 und wurde seinem Wunsche entsprechend bei der Walkemühle bestattet. Die Nationalsozialisten zerstörten das Grab später und setzten es auf den jüdischen Friedhof in Melsungen um. Dort befindet es sich - ebenso wie das seines Vaters und das Erich Graupes - noch heute.

Die Erwachsenenabteilung der Walkemühle wurde 1931 aufgelöst, Lehrerinnen und Lehrer gingen nach Berlin. Sie versuchten, den drohenden National­sozialismus abzuwenden, und arbeiteten in der vom ISK (Internationaler Sozialistischer Kampfbund ) gegründeten Tageszeitung "Der Funke" mit. Hier erschien im Sommer 1932 ein "Dringender Appell" des ISK, mit dem Ziel, über ein Wahlbündnis von SPD und KPD die Nazis aufzuhalten. Käthe Kollwitz, Albert Einstein, Heinrich Mann, Ernst Toller, Arnold Zweig und auch Minna Specht und viele andere unterzeichneten. Es folgten mehr als siebzig Veranstaltungen in fast allen Großstädten Deutschlands.

Nachdem die Macht im Staate im Januar 1933 an Hitler übergeben worden war, zog die Kinder­abteilung der Walkemühle schon im März nach Dänemark und 1938 weiter nach England. Dort kam es zur Beschäftigung u.a. mit der Pädagogik von Maria Montessori und Alexander Neill.

Zur Nazi-Zeit war die Walkemühle Gauführer­schule, zeitweise wurden Menschen dort auch interniert. Nach dem Zweiten Weltkrieg für kurze Zeit von den "Falken" genutzt, Kinderheim, einige Jahrzehnte eine Fabrik der Papierverarbeitung, befindet sich zur Zeit eine Einrichtung des Berufsfortbildungswerks auf dem Gelände der Walkemühle.

Minna Specht kehrte 1945 nach Deutschland zurück, übernahm von 1946 bis 1951 die Leitung (und Rettung) der Odenwaldschule. Darüber hinaus arbeitete sie wegweisend an hessischen Bildungs­reformen mit. Sie starb am 3.2.1961.

Rudolf Giesselmann hat wertvolles Material zu jenem Zeitabschnitt (1921-1933) zusammengefügt, in dem die Walkemühle ein in Deutschland einzigartiges Landerziehungsheim war. Der Autor lässt in zahlreichen  Interviews vor allem Zeitzeugen ausführlich zu Wort kommen: Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler, Nachbarn und andere Menschen, die mit der Walkemühle zu tun hatten.

Weiterhin hat Giesselmann Dokumente und Akten aus Archiven ausgewertet und vorhandene Literatur einbezogen.

Auszüge aus Stundenplänen der Schule und Pensenbüchern einer Lehrerin, Briefe von Walkemühle-Kindern an ihre Eltern sowie zahlreiche Fotos tragen zur gelungenen Illustration dieser Arbeit über das Landerziehungsheim bei.

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